O Weisheit – mit diesem Ruf eröffnet die Liturgie der römisch-katholischen Kirche die letzte Woche vor dem Weihnachtsfest. Es ist die Zeit der sogenannten O-Antiphonen, für jeden Tag vor Weihnachten eine eigene. Die Anfangsbuchstaben des lateinischen Originals ergeben rückwärts gelesen ein Akrostichon, ein Leistengedicht: ero cras – morgen werde ich kommen!
Advent … Vorweihnachtszeit – für Vertreter aller Konfessionen alle Jahre wieder ein willkommener Anlass für den Hinweis, von jetzt auf gleich in den Besinnungsmodus zu schalten. Sofortige Stille statt Stehvermögen am Glühweinstand mahnt man an; gleichzeitig möchte mancher fromme, vor allem katholische Kulturkämpfer lauthals dem Weihnachtsmann an den Fellmantel, um unter völliger Verkennung der unterschiedlichen Zuständigkeiten dieser Brüder im Geiste eine Lanze für den Heiligen Nikolaus zu brechen. Im Advent hat man sich schließlich in stiller Lust der Besinnung hinzugeben. Ein Skandal, wer sich da angesichts des „Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!“ lauthals lachend in der Zeit der Ankunft freut. Schrecklich, wenn die Menschen ernst machen mit der Freude über das Kommen des ersehnten Königs von der das „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ singt.
Wie aber kann man jetzt schon an Weihnachten denken? Wer durch die Innenstädte geht, sieht freilich, dass die Vorbereitungen in vollem Gang sind Und auch in der katholischen Tradition steht die Ankunft des bereits am kommenden Sonntag im Mittelpunkt. Mit dem bevorstehenden Christkönigssonntag endet das Kirchenjahr; das neue beginnt mit dem 1. Advent. Es ist Wendezeit. Erst 1925 eingeführt, war das Christkönigsfest gerade in der Zeit der Nazi-Herrschaft für die katholische Jugend ein Gegenentwurf zum Führerkult. Die Christkönigsverehrer waren immer schon Anhänger einer widerständigen Weisheit, die man wohlgemerkt eben nicht mit kulturpessimistischer Widerborstigkeit verwechseln darf.
O Weisheit – möchte man in diesem Jahr trotz aller vorweihnachlichen Freude flehen. Die ihren natürlichen Grund seit Jahrhunderten im Geburtsfest Jesu am 25.12., das die Stadtgesellschaft, ob man es glaubt oder nicht, feiert. Der Einzelhandel hingegen schafft künstlich neue Anlässe. Die braucht er nämlich, um auch an Sonntagen nur das Beste der Kunden zu erstreben, also Umsatz! Mutet die Idee eines Schneemannwettbewerbes in Barmen noch einigermaßen kreativ an, erscheint die Idee einer Winterwelt in Elberfeld allerdings völlig surreal. Weil auf dem Weihnachtsmarkt kein Platz mehr ist, muss man „aus Gründen“ im Schatten des Armendenkmals auf dem Kirchplatz mit Tonnen von Schnee eine Kunstwelt errichten.
O Heiland, reiß die Himmel auf und wirf Weisheit hinab, möchte man da rufen. Ob sich das lohnt? Stehen eventbezogene Kosten und wirtschaftlicher Nutzen in einem richtigen Verhältnis? Wie sehen die Bilanzen am Ende der Adventszeit mit und ohne verkaufsoffene Sonntag aus? Was glauben Sie denn?
Kassenpiepen ist kein Glockenklang. Selbst der Schutzpatron der Kaufleute wird Verständnis für verkaufsfreie Sonntage haben: Heiliger Nikolaus, bitte für uns, dass weise werde diese Welt. Es wäre doch zu töricht, vor lauter Arbeit die Freude über die Ankunft des Königs zu verpassen. Wendezeit ist nun, Christkönig – Frohes Fest!
In der Kolummne „Was glauben Sie denn?“ der Westdeutschen Zeitung Wuppertal äußert sich Dr. Werner Kleine regelmäßig zu aktuellen Themen aus Kirche, Stadt und Land. Wir präsentieren die Texte hier im Weblog Kath 2:30. Dieser Text wurde erschien am 243. November 2017.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Du kannst einen Kommentar schreiben.